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POPSCENE September 09/23

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Das total umsonste Popkulturmagazin POPSCENE im September 2023 mit SASHA, ELA und vielem mehr! Interviews, Reviews, Veranstaltungen im Saarland, in Rheinland-Pfalz und und und!

GENUSS Slow Food

GENUSS Slow Food SCHMECKEN SOLL ES UND ALLE SINNE ANREGEN Lea Leimann ist Mitglied im Vorstand des Vereins Slow Food Deutschland e.V. mit Sitz in Berlin. Die Mission von Slow Food besteht darin, eine Ernährungswelt zu etablieren, in der gerechte Beziehungen vorherrschen, die biologische Vielfalt, das Klima und die Gesundheit unterstützt werden, und die es jeder Person ermöglicht, ein Leben in Würde und Freude zu genießen. 20 Lebensmittel sollen gut, sauber und fair sein, heißt es in der Philosophie von Slow Food. Was heißt das konkret? Das heißt, dass wir bei Slow Food Lebensmittel bevorzugen, die geschmackvoll sind und alle Sinne anregen. Die guten Lebensmittel sind für uns die, die für Mensch und Planeten gesund sind, die bunt und nahrhaft und mit den Jahreszeiten, Regionen und Kulturen variieren. Sauber steht für eine Art der Erzeugung und Verarbeitung, die die biologische Vielfalt, die Ökosysteme und die Ressourcen unseres Planeten schonen. Unsere Lebensmittel- und Ernährungssysteme spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, ökologische und soziale Krisen zu bewältigen. Dann ist da noch die Fairness: Alle Beteiligten entlang der Wertschöpfung von Nahrungsmitteln sollen angemessen bezahlt werden. Es geht um gleichberechtigten Zugang zu Lebensmitteln, Wasser und Land, um faire Lebensbedingungen für Menschen, aber auch für Tiere. Slow Foodies fragen: Wie und von wem wurde mein Lebensmittel verarbeitet? Wo kommt es her? Es geht uns um verantwortungsvollen Konsum und gleichzeitig um Genuss im Kreis von Freundinnen und Freunden. Nachhaltigkeit soll bzw. muss Freude bereiten, Motivation schenken. Es gibt Menschen, die das alles für Firlefanz halten. Diese hohen Ansprüche seien nicht bezahlbar, heißt es dann. Das könne sich ja nur eine kleine Schicht, die gut verdient, leisten. Was sagen Sie solchen Menschen? GENUSS

Das kommt darauf an, wer mir mit diesen Argumenten begegnet. Ist es beispielsweise jemand, der ganz offensichtlich das Einkommen hat, faire Preise für Lebensmittel zu zahlen? Dann beantworte ich das vermutlich mit einer Gegenfrage nach dessen Werten und Prioritäten. Letztlich ist es die Frage, ob ich nachhaltige Systeme unterstützen möchte oder nicht. Dabei fallen auch alltägliche, vermeintlich banale Kaufentscheidungen ins Gewicht. Auch die im Supermarkt. Nichtsdestotrotz: Insgesamt wird es den Menschen nicht leicht gemacht, sich für die nachhaltige Option zu entscheiden, denn sie ist meist teurer, seltener verfügbar und sie erfordert oft mehr Wissen und Zeit. So kosten zum Beispiel biologische Lebensmittel im Handel mehr als konventionelle. Einfach, weil die konventionellen nicht die durch ihre Produktionsweise verursachten Umweltschäden bepreisen. Zudem erfordert das Abwägen, ob die günstigere Bio-Nektarine nun besser oder schlechter ist als der konventionell gelagerte Apfel aus Deutschland, eine Auseinandersetzung mit dem Thema. Begegnet mir ein Mensch, der mit geringen Einkommen auskommen muss oder gar armutsbetroffen ist, womöglich noch alleinerziehend und weiblich, dann ist die Ausgangslage eine andere. Ich fände eine eventuelle Kritik, dass sich nur eine kleine, privilegierte Schicht nachhaltige Lebensmittel leisten kann, berechtigt. Da fühle ich mit und spüre meinen Ärger über ein System, das es einem Teil der Gesellschaft erschwert und nahezu unmöglich macht, sich und ihre Familien gut und gesund zu ernähren. Slow Food hat sich zum Ziel gesetzt gutes, sauberes und faires Essen für Alle zu ermöglichen. Das erfordert einen Systemwandel und der ist langwierig. Bis dahin versuchen wir mit unseren Angeboten Wissen zu vermitteln – auch darüber, gute, saubere und faire Küche mit kleinem Geldbeutel zu genießen. Mit Tipps möchten wir den Zugang zu guten Lebensmitteln verbessern. Das sind teils vermeintlich selbstverständliche und einfache Hinweise. Etwa, dass saisonale Erzeugnisse, die regional wachsen, häufig günstiger sind. Dass es Geld spart, selbst zu kochen; frisches statt Fertigprodukte, mehr Pflanzliches statt zu viel Tierisches zu verarbeiten. Auch der Gang zum Wochenmarkt kann günstiger ausfallen als der Einkauf im Supermarkt und die eigene Sicherheit im Umgang mit Saison und Regionalität stärken. Ich würde Menschen, die wenig Budget haben fragen, welche Wünsche sie an ein faires Ernährungssystem und an Organisationen wie Slow Food haben. Diese Impulse nehme ich mit in meine Arbeit für Bildung, Kampagnen und Netzwerke. Viele Menschen überfordert das womöglich. Was könnte ein erster Schritt sein für Menschen, die anfangen wollen, bewusster zu essen und zu trinken? Sich Verbündete zu suchen. Verhaltensveränderung fällt uns leichter, wenn wir uns zusammentun und erleben, dass wir gemeinsam auf dem Weg sind. Es gibt in den meisten Städten und Regionen Initiativen wie Solidarische Landwirtschaft, Gemeinschaftsgärten, Ernährungsräte, Einkaufsgemeinschaften und natürlich Slow-Food-Gruppen, die Kochkurse, Besuche bei Erzeugerinnen und Erzeuger sowie Geschmackserlebnisse anbieten. Angebote, die unseren Verstand ebenso wie unsere Sinne ansprechen. Viele dieser Initiativen bemühen sich um die Ansprache einer breiten Zielgruppe, um für alle zugänglich zu sein. Ich kann außerdem nur empfehlen, nicht alles auf einmal perfekt machen zu wollen. Kleine Schritte und einen nach dem anderen. Für manche kosten die ersten Schritte die meiste Überwindung, ähnlich wie mit anderen Gewohnheiten. Aber niemand kommt umhin, dem Essen und der eigenen Ernährung wieder Zeit und Platz im Alltag einzuräumen. Kochen und Essen brauchen Zeit und haben sie verdient. Für viele von uns heißt das, das Handy mal beiseite zu lassen, eine halbe Stunde am Tag mit allen Sinnen im Hier und Jetzt zu sein und zu schmecken. Text: Martin Rolshausen Foto: Marion Hunger slowfood.de 21 GENUSS

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