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POPSCENE Februar 02/19

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8 TITEL DIE OPTIMIERER

8 TITEL DIE OPTIMIERER Ich habe schon lange an der Geschichte gearbeitet. Genau genommen seit 2008. Ich weiß das noch genau, weil ich damals nach einer langen Schreibpause – im Studium hatte ich weder Zeit noch Muße dazu – wieder ein großes Projekt in Angriff nehmen wollte. Die Geschichte hat sich seitdem natürlich weiterentwickelt. Aber die Grundthemen sind gleichgeblieben, denn sie waren damals aktuell und sind es noch heute: Zunehmende Automatisierung, Überwachung durch den Staat und die damit einhergehende Einschränkung der Freiheit des Einzelnen. LESUNG MIT THERESA HANNIG Liebe Frau Hannig, Sie sind die Gewinnerin des Stefan-Lübbe-Preises, der im letzten Jahr das erste Mal vergeben wurde. Der Roman musste dem Genre „Science Fiction“ entstammen– hat die Geschichte zu „Die Optimierer“ schon lange in Ihrer Schreibtischschublade geschlummert, oder haben Sie sie eigens für den Preis geschrieben? Sie beschreiben in Ihrem Buch ein fast beängstigendes Zukunftsszenario: Der Staat hat die komplette Kontrolle über die Bürger. Sie werden beobachtet und ihnen werden Berufe zugeteilt. Sogar wie viele Sexualpartner sie haben, wird festgehalten. Auf den ersten Blick wirkt das negativ und beängstigend, doch finden Sie daran auch positive Seiten? Grundsätzlich ist die Konstruktion des Staates in meinem Roman an den idealen Staat von Platon in seinem Werk „Politeia“ angelehnt. Dort wird in einem langen Dialog hinterfragt, was echte Gerechtigkeit ist. Schließlich wird ausgeführt, dass es wahre Gerechtigkeit nur in einem gerechten Staat geben kann – doch dieser „gerechte“ Staat ist nach heutiger Interpretation eine Diktatur. Meine Idee war nun, die platonische Staatenkonstruktion auf die heutige Zeit bzw. die Zukunft zu übertragen. Der Grundgedanke ist also tatsächlich die Gerechtigkeit und das Wohl für Alle. Im Verlauf der Geschichte wird aber klar, dass die Umsetzung für viele Menschen das Gegenteil bedeutet.

Interessant ist, dass die Geschichte fast schon in „naher Zukunft“ spielt, und zwar im Jahre 2052. Die Szenen, die Sie beschreiben, sind daher gar nicht so weit hergeholt und dadurch umso beängstigender. Glauben Sie, unsere Gesellschaft entwickelt sich in diese Richtung? Ich denke schon, denn wir stehen am Anfang von zwei technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, die meiner Meinung nach nicht mehr rückgängig zu machen sind – außer durch Krieg und totale Zerstörung aber das wollen wir ja nicht hoffen: Die Vernetzung der Gesellschaft und die Entwicklung künstlicher Intelligenz. Beide Prozesse gehen Hand in Hand und werden unser Leben zusehends beeinflussen. Die immer weiter zunehmende Vernetzung bringt uns viele Vorteile aber auch die Möglichkeit der totalen Überwachung. Und die Entwicklung künstlicher Intelligenz wird nach und nach immer mehr menschliche Arbeitsplätze kosten. Da muss man sich schon überlegen: Was „arbeiten“ die Menschen in 30 Jahren noch? Die Menschen begrüßen sich in Ihrem Roman nicht mehr mit „Guten Tag“ oder „Hallo“, sondern mit „Jeder an seinem Platz!“ Man kennt solche Begrüßungsfloskeln aus verschiedenen extremen Regimen, was bedeutet diese Begrüßung für die Gesellschaft bzw. für jeden Einzelnen? Der Staat ist eine sogenannte Optimalwohlökonomie, das heißt, dass er den Anspruch hat, der Gesellschaft und jedem Bürger das größtmögliche Wohl zu ermöglichen. Dieser Anspruch ist aber auch ein Zwang für den Einzelnen. Denn nur, wenn jeder an seinem Platz ist – sprich als Zahnrad im Getriebe dient – kann das System funktionieren. So ist die Begrüßung ein Machtinstrument, mit dem sich die Präsenz des Systems vergegenwärtigt. Sie ist die ständige gegenseitige Versicherung dass jeder an seinem Platz ist – und auch dort bleibt! In Ihrem Vorwort befindet sich ein Zitat von Edward Snowden: „Zu behaupten, das Recht auf Privatsphäre sei einem egal, weil man nichts zu verbergen hat, ist wie zu behaupten, das Recht auf freie Meinungsäußerung sei einem egal, weil man nichts zu sagen hat.“ Ein sehr interessantes und schönes Zitat, möchten Sie mit Ihrem Buch auch ein bisschen die Gesellschaft aufrütteln? Ja, irgendwie schon. Denn wir leben in einer Zeit, in der der Deal „Freiheit gegen Sicherheit“ immer mehr Zuspruch findet. Dabei muss man für vermeintliche Sicherheit, mit der tatsächlichen Einschränkung der Privatsphäre bezahlen. Ich würde mir wünschen, dass wir als Gesellschaft bessere Strategien entwickeln, um die komplexen Probleme zu bewältigen, die uns mit der Globalisierung ins Haus stehen. Mit einfachen Lösungen wie „Lasst uns eine Mauer bauen“ oder „Lasst uns alle überwachen“ kommen wir doch nicht weit. Können Sie sich eine Verfilmung zu dem Buch vorstellen und wenn ja, welche Schauspieler wären Ihre optimale Besetzung? Wenn ich eine Geschichte schreibe, sehe ich die Story mit den Augen der jeweiligen Figur. Ich schaue also aus ihr heraus, nicht auf sie drauf. Ich weiß zwar grundsätzlich wie sie aussieht, aber ich finde es extrem schwer, mir für meine Figur, die mir ja doch sehr vertraut ist, ein anders Gesicht vorzustellen. Am ehesten passend für Samson Freitag fände ich den Schauspieler James McAvoy, und zwar so, wie er die Figur Dr. Nicholas Garrigan in „The Last King of Scotland“ gespielt hat. Garrigans Hilflosigkeit und Verwirrung trifft den Kern von Samson Freitag, dessen Weltbild irgendwann nicht mehr mit der Realität übereinstimmt. Text: Luebbe | Foto: Olivier Favre Malbar Saarbrücken Mittwoch, 20. Februar, 20 Uhr www.theresahannig.de

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