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Lesequickie - Leseprobe regionaler Autorinnen und Autoren

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Fünf Geschichten – eine Region: Nur AutorInnen mit einem besonderen Bezug zu unserer Heimat! Fünf Geschichten – ein Genre: Jede Ausgabe mit einem speziellen Genre - erkennbar an der Banderole! Fünf Geschichten – eine Mission: Beste Unterhaltung für die kleine Pause zwischendurch! Autoren: Carolin Summer - Narrenlauf - Die Weltenwechsler Akten (Band I) Benjamin Spang - Blut gegen Blut Carsten Schmitt - Tadukeh Heike Knauber - Najaden Das Siegel des Meeres Tanja Karmann - Der Mitternachtsladen - Verbundene Welten

Wenn es sich, entgegen

Wenn es sich, entgegen unserer Vermutungen, doch um einen Trank handelte, waren Reaktionsvermögen und Lungenvolumen gefragt. Die Metro bremste ruckelnd an der nächsten Station. Carole hielt sich, aus Ermangelung eines anderen Griffs, an meiner Jacke fest. Ich meinerseits packte gerade noch rechtzeitig eine der Stangen über unseren Köpfen. Dabei trat ich beinahe einem älteren Herrn im Wollmantel auf die blank polierten Lackschuhe. »’Tschuldigung.« Er hörte mich nicht, genau wie sonst niemand unsere Unterhaltungen mitverfolgen konnte. Carole trug, verpackt in ihrer Haarspange, einen entsprechenden Zauber mit sich herum. Die einfache Plastikklammer funktionierte wie eine Batterie, die sich langsam entlud und so der Magieunbegabten die Gelegenheit bot, die Formel zu nutzen. Theoretisch war das mit sämtlichen Gegenständen möglich. Jeder Magienutzer konnte sie erschaffen, je nach Stufe entsprechend stark. In vielen Universen nutzte man hauptsächlich Schmuckstücke für diesen Zweck. Auch in dieser Welt war das früher gang und gäbe. Vielleicht hielt sich daher hartnäckig die Bezeichnung Amulett. Inzwischen kam man praktischerweise von den traditionellen Formen ab und verwendete sämtliche Alltagsgegenstände. »Jordi meinte, er würde lieber mit mir tauschen, anstatt irgendwelche Taschen zu durchwühlen. Mir persönlich wäre das recht.« Mit roten Ohren nahm sie wieder Abstand, zumindest soweit es die um sie herumstehenden Leute zuließen. Sie schämte sich für ihre Angst, war aber ehrlich genug, sie nicht zu überspielen. Ihr fehlte die notwendige Routine. Wie man in einer bestimmten Situation handeln musste, ließ sich auswendig lernen. Den Umgang mit der Tatsache, dass nur ein Versuch für so etwas blieb, verstand man erst mit der Zeit. »Ich befürchte, um die Lockvogelspielerei kommen wir nicht rum.« Wir schafften es ja nicht mal, alle Linien gleichzeitig im Auge zu behalten. »Seine Trefferquote ist extrem hoch. So viele Wandler gibt es in Paris auch wieder nicht. Nicht mal, wenn man Werwölfe und Gestaltwechsler zusammenzählt. Er erkennt uns irgendwie. Die Chancen, ihn zu erwischen stehen höher, wenn wir potenzielle Ziele mimen.« »Ich weiß.« »Châtelet! Châtelet!«, unterbrach die Lautsprecheransage forsch den Wortwechsel. Das war die Station, an der Nic und Jordi gerade Position bezogen. Der Hauptumsteigepunkt, einer der am stärksten frequentierten Bahnhöfe mit fünf anfahrenden Linien und Anbindung an die RER . Heute kamen wir schon zum dritten Mal hier entlang, wie über dreißigtausend andere Leute auch. Die Türen öffneten sich, woraufhin sich eine Menschentraube, Taschen, Ellbogen und Füße zur Hilfe nehmend, an uns vorbei nach draußen quetschte. In diesem Moment verlangte das Handy in meiner Hosentasche vibrierend nach Aufmerksamkeit. Ein Blick aufs Display verriet, dass Mai-Sue uns aus der Zentrale zu erreichen versuchte. Im Gegensatz zum Rest des Teams waren wir nicht mit Funk ausgestattet, weshalb die Mobiltelefone die einzige Möglichkeit zur Kommunikation und Übermittlung des Standortes boten. Ich hob ab und presste den Hörer ans Ohr. Hier drin war es viel zu laut zum Telefonieren, vom schlechten Empfang ganz zu schweigen. »Ja?« »Steigt aus. Ich hab da so ein Gefühl. In Châtelet seid ihr richtig.« Mir lief es beim Klang ihrer Stimme kalt den Rücken hinunter. Carole am Ärmel gepackt, hastete ich zur Tür und schob geistesgegenwärtig den Fuß dazwischen, um diese daran zu hindern, uns vor der Nase zuzuschlagen, was sich um einiges schmerzhafter erwies, als erwartet. Fest biss ich mir auf die Zunge. Nicht unaufmerksam werden! Die Stimme der Supporterin war nichts als hohles Geflüster, das aus dem Telefon klang wie in Trance. Kein bisschen fröhlich oder aufgedreht wie sonst. Ein Dämmerzustand, in den sie verfiel, wenn eine ihrer Visionen einsetzte. Ich drückte den Apparat fester ans Ohr. »Mai, rede mit mir. Was siehst du?« Fähigkeiten, die sich nicht gezielt steuern lassen, sind immer so eine Sache. Wenn man Pech hat, tauchen sie nur auf, wenn man es nicht gebrauchen kann und bleiben aus, wenn sie am dringendsten benötigt werden. Mais

Timing an diesem Mittag war allerdings nahezu perfekt. »Weiße Weste voller Blut! Scharfe Zähne, halbe Menschen. Lachsrosé und Königsblau.« Carole schaute mich verwirrt an und hob fragend die Hände. Ich drehte mich auf dem Bahnsteig um die eigene Achse, in der Hoffnung etwas zu entdecken, das auf die zusammenhanglosen Hinweise passte. Hinter uns fuhr die Metro weiter. »Halbe Menschen! Scharfe Zähne! Ihr müsst ihnen helfen, sie können nichts dafür!« Das Rattern der abfahrenden Bahn dröhnte in meinen Ohren und ich schaffte es kaum, mich darauf zu konzentrieren, magische Aktivitäten in der Nähe auszumachen. Ein Wunder, dass die Gestaltwandlerin verstand, was ich für sie wiederholte. Wild gestikulierend deutete sie auf das Ausgangsschild, auf dem neben dem Pfeil Richtung Treppe die bunten Punkte der Linienfarbe mit den entsprechenden Zahlen abgebildet waren. Auf dem Gegengleis hielt indes ein weiterer Zug. Gelb, Violett, Braun und Lila. Eine blaue Linie gab es hier – abgesehen von der RER B – nicht. Dafür eine Rosafarbene. Lachsrosé? Nummer 7, mit der wir gerade gekommen waren. Ich fuhr herum, das Handy noch immer in der Hand. Vom gegenüberliegenden Bahnsteig schallte schrilles Kinderweinen hinüber, in das binnen Sekunden panische Rufe und Schreie einstimmten. Carole, die ebenfalls in Richtung der Schienen stand, wurde bleich. Sie starrte sprachlos auf das Fenster der Bahn, die gerade ihre Türen schloss, wieder anrollte und die Sicht auf die andere Seite freigab. Das sich uns bietende Bild als widerlich-skurril zu beschreiben, war maßlos untertrieben. »Mai? Code Omikron! Hol die anderen hier runter. Schnell!« Drüben lag ein junger Mann auf dem Boden, der sich unter Krämpfen stöhnend zur Hälfte in einen grauen Wolf verwandelt hatte. Zitternd steckte er in diesem Stadium fest, unfähig zurück in die zweibeinige oder ganz in die vierbeinige Gestalt zu gelangen. Aus der halb zur Schnauze verformten Nase lief ein Blutrinnsal über den beinahe noch menschlichen Unterkiefer, aus dem allerdings schon die Reißzähne ragten. Scharfe Zähne, halber Mensch. Mitten in der Innenstadt, an einem der belebtesten U-Bahnhöfe von ganz Paris. Verfickte Scheiße! Hat‘s dir gefallen? Buchtitel: Narrenlauf – Die WeltenWechsler Akten (Band I) Verlag: Tredition ISBN Taschenbuch: 978-3-7482-9391-0 ISBN Hardcover: 978-3-7482-9392-7 ISBN E-Book: 978-3-7482-9393-4

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