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Lesequickie - Leseprobe regionaler Autorinnen und Autoren

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Fünf Geschichten – eine Region: Nur AutorInnen mit einem besonderen Bezug zu unserer Heimat! Fünf Geschichten – ein Genre: Jede Ausgabe mit einem speziellen Genre - erkennbar an der Banderole! Fünf Geschichten – eine Mission: Beste Unterhaltung für die kleine Pause zwischendurch! Autoren: Carolin Summer - Narrenlauf - Die Weltenwechsler Akten (Band I) Benjamin Spang - Blut gegen Blut Carsten Schmitt - Tadukeh Heike Knauber - Najaden Das Siegel des Meeres Tanja Karmann - Der Mitternachtsladen - Verbundene Welten

einige Tropfen des

einige Tropfen des dunkelbraunen Tschandus in den Löffel. Dann nahm er eine Dose aus Ebenholz und öffnete sie. Als er die kleine Menge feinen grauen Pulvers darin sah, zögerte er. Wollte er seinen schrumpfenden Vorrat für einen erschlagenen Bauerntölpel opfern? Sein Tahdukeh, seine Wunderdroge? Doch jetzt aufzuhören wäre ihm ebenso unmöglich gewesen wie das Schlagen seines Herzens anzuhalten. Er maß eine kleine Menge des Pulvers mit einem Spatel ab und vermengte es mit den dicken braunen Tropfen am Boden des Kupferlöffels. Dann hielt er den Löffel über die Opiumlampe und kochte das Tschandu, bis es zu einer klebrigen Masse wurde, die er zu einem Pfropfen formte, der genau in die Öffnung im Kopf der Pfeife passte. Er legte sich auf die Bahre, die Lampe zwischen sich und der Leiche und drehte sich mit angewinkelten Beinen auf die linke Seite, den Kopf auf seinen zusammengerollten Mantel gestützt. Mit der rechten Hand hielt er die Pfeife mit der Öffnung nach unten über die Flamme und inhalierte die köstlichen Schwaden. Charois glitt in einen Zustand heiterer Aufmerksamkeit, frei von Ödnis und Mattheit des Lebens. Der Körper des Jungen lag ihm gegenüber, den Kopf zu ihm geneigt und die Augen zu Schlitzen geöffnet. Du wirst nicht namenlos verscharrt werden. Wir werden herausfinden, wer Du bist, dachte Charois. Er richtete sich auf und studierte jeden Quadratzoll des nackten Körpers, bis er an der rechten Hand innehielt. Charois streckte Zeigeund Mittelfinger aus und strich über die Handfläche des Toten. Seine Fingerkuppen ertasteten harte Schwielen und seine eigenen Hände kribbelten in Erwiderung des Gefühls. Die erste Welle des Tahdukeh-Rauschs brandete heran, und Charois erwartete sie mit geschlossenen Augen. Er ließ sich von ihr überspülen und durch einen unsichtbaren Strom wirbeln, bis der Schwindel nachließ und er wieder festen Boden unter den Füßen spürte. Die Vision war nicht gefestigt genug, um die Augen zu öffnen, und so blieben ihm nur die restlichen vier Sinne. Der Mief des Kellers war dem würzigen Geruch nach Stall und Pferden gewichen. In den Händen spürte er einen hölzernen Schaft wie von einem Besen. Nein, kein Besen, dafür war der Gegenstand zu schwer. Es war eine Schaufel und mit dieser Erkenntnis explodierten die Eindrücke, die seine Sinne bestürmten, in seinem Kopf. Der Geruch nach Pferd und Stall, den er vorhin wahrgenommen hatte, wurde überwältigend. Er hörte das Kratzen des Schaufelblatts auf dem Boden und das feuchte Zischen, wenn die Schaufel in den Mist stach, während um ihn Pferde schnaubend seine Arbeit kommentierten. „Mattel!“ Der Klang der Stimme ließ ihn auffahren. Er riss die Augen auf und sah sich nach dem Rufer um. Charois wurde aus der Vision katapultiert. Das Traumbild war nicht gefestigt genug, der Gesichtssinn zu viel dafür gewesen. Für einen Augenblick hatte er einen Stall gesehen. Die Wände waren geweißelt, die Pferde, allesamt wohlgenährte Tiere, in ordentlichen Boxen untergebracht. Dies war nicht der Stall eines Fuhrmanns oder einer Station der Postkutsche, sondern die Stallung eines edlen Herrn. Jemand hatte einen Namen gerufen, Mattel. War das der tote Junge? Charois bereitete sich eine weitere Pfeife. Diesmal balancierte er die Mischung aus Tschandu-Opium und Tahdukeh perfekt, so dass er zu gleichen Teilen in der hiesigen Welt, und der Vision der Droge erwachte. Er sah den Körper des jungen Mannes vor sich nackt auf der Bahre liegen, und blickte zugleich durch dessen Augen. […] Mattels Aufmerksamkeit galt einem Mann, der auf den Waldrand zu schlenderte. Er trug einen weißen Gehrock, der mit schillernden grünen und blauen Stickereien im cathayischen Stil verziert war, ebensolche Hosen und Strümpfe aus weißer Seide. Die Füße steckten in Schuhen mit goldenen Schnallen und in der rechten Hand hielt er einen zierlichen Spazierstock. Das Gesicht des Fremden blieb verborgen, doch Charois spürte, dass Mattel wusste, um wen es sich handelte. Der Mann verschwand im Wald und mit seinem Verschwinden zwischen den Bäumen fühlte Charois, wie die Vision ihm entglitt. Ihn schwindelte und statt der hellen Sonne am Himmel sah er die vier Lichtpunkte der Öllampen, die von der Decke des Kellergewölbes hingen. Mit den geübten Fingern eines Tahdukeh-Träumers tastete er nach dem Opiumbesteck. Er bereitete die Pfeife und nahm einen Zug. Der Schwindel ließ nach und das Bild vor seinen Augen stabilisierte sich, blieb

aber unbewegt. Er wagte es, seinen Geist zurückzuschicken in den Keller der Gendarmeriewache, um sich von seiner Intuition leiten zu lassen. Er nahm einen weiteren Zug der Pfeife und folgte der ersten Eingebung, die die Droge ihm einflüsterte. Er beugte sich vor und küsste die Lippen des toten Mattel. Als den Mund von den Lippen seines Gegenübers löste und die Augen öffnete, sah er in das hübsche Gesicht eines bartlosen jungen Mannes. „Mattel, mein lieber Mattel“. Der Andere trug eine Perücke, deren grau gepudertes Haar im Kontrast zu den dunklen Brauen und rehbraunen Augen stand. Charois, der als Beobachter sah, was Mattel sah, glaubte, den Fremden zu kennen. Er spürte den Sinneseindrücken und Erinnerungsfetzen, die er aufnahm, nach, doch der Name entwand sich seinem Zugriff, bis Mattel sprach. „Mein Prinz, ich ...“ „Nenn mich nicht so, Mattel. Dein Prinz bin ich dort, doch hier bin ich dein Freund.“ Charois spürte, wie Mattel lächelte. Die beiden führten dieses Gespräch nicht zum ersten Mal. „Ich muss gehen. Wenn der Stallmeister bemerkt, dass ich fort bin, setzt’s Backpfeifen.“ „Er soll es nicht wagen!“ „Henrik, hier draußen bist du mein Freund. Aber dort bist du der Prinz und wenn du dich um einen säumigen Pferdeknecht mühst, werden die Leut’ noch mehr reden, als sie’s schon tun.“ „Lass sie! Sie werden es nicht wagen, mir ihre hässlichen Gedanken ins Gesicht zu sagen.“ „Aber mir. Und Schlimmeres.“ „Sei unbesorgt, Mattel. Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas geschieht.“ […] Henrik von Sârbruck, Erbprinz von Herzog Ludovic, nickte. Hat‘s dir gefallen? Buchtitel: „Tahdukeh“ erschienen in „Der Unmögliche Mord und andere phantastische Kriminalfälle“ Verlag: Conte ISBN Taschenbuch: 978-3-95602-186-2

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