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Leseprobe Conte Verlag: Club der Romantiker - Frank P. Meyer

Für ein Treffen mit früheren Kommilitonen kehrt Peter Becker nach Oxford zurück. Doch der eigentliche Grund für seine Reise ist Laureen Mills Beerdigung. Als ihre Leiche jetzt, über zwei Jahrzehnte nach ihrem spurlosen Verschwinden, gefunden wird, erwartet niemand mehr ernsthaft die Aufklärung dieses Falles. Zur selben Zeit sind weitere Ehemalige in Oxford, die die College-Bibliothekarin kannten: Louise, Ed, Brandy Jones und der Bischof – allesamt Mitglieder im exklusiven »Club der Romantiker«. Inspector Osmer ahnt nichts von der Verbindung der Clubmitglieder zur Toten, und sein Vorgesetzter will, dass der alte und scheinbar unlösbare Fall endlich zu den Akten gelegt wird. Aber der Zufall und ein immer nervöser werdender Ex-Romantiker spielen dem Ermittler und seinem übereifrigen Sergeant in die Hände. Ein spannender und überraschender Roman vor und hinter den Kulissen des altehrwürdigen Oxford.

eine Handvoll weiterer

eine Handvoll weiterer Primstaler ein Studium auf und zog in WGs, so dass mein Lebensplan nicht allzu abwegig erschien. »War doch klar, dass der Junge nicht hierbleibt«, meinte mein Großvater, »der passt doch gar nicht hierher«, was mir als Erklärung nun auch wieder nicht gefiel – obwohl mir klar war, wie er darauf kam: Aufgrund meiner schulterlangen Mähne, dem üppigen Bart, der Nickelbrille, sowie dem mir bereits seit der Bundestagswahl 1983 anhaftenden Verdacht, einer dieser Grünenwähler im Dorf zu sein, sahen mich nicht nur meine engsten Verwandten in direkter geistiger Linie zu den 68ern. Dennoch half mir mein Vater, ein Zimmer in einer heruntergekommenen Straße hinter der stillgelegten Tuchfabrik in Trier einzurichten. Er freute sich darüber, dass in dieser Nachbarschaft, deren Sozialstruktur man heute als prekär bezeichnen würde, eine Bude für 160 Mark Warmmiete zu kriegen war. Immerhin musste er sie bezahlen, bis ich im dritten Semester ein Stipendium von einer Gewerkschaftsstiftung bekam. Er erschrak allerdings darüber, dass einer meiner WG-Mitbewohner, ein Philosophiestudent mit noch gewagterer Barttracht als ich selbst eine trug, im Treppenhaus freudig verkündete, dass ich in die um die Ecke liegende Kneipe namens Simplicissimus getrost noch nach elf Uhr einkehren könne. Ihn jedenfalls würde ich dort fast jeden Abend bis halb eins antreffen. Die Dachzimmerbude war in anderthalb Stunden komplett eingerichtet. Da ist die Halbliterflaschenpause schon mit eingerechnet, die wir uns gönnten, nachdem wir die gerahmten Bilder meiner Lieblingsküsten, Beachy Head und die Klippen von Moher, über dem kleinen Schreibtisch an die Wand genagelt hatten. Nach getaner Arbeit gingen wir durch die Germanstraße, an zweifelhaften Clubs mit roten Leuchtreklamen vorbei, zum — 4 —

Viehmarktplatz, um dort an einer Imbissbude Currywurst mit Pommes zu essen. In den Schlaglöchern des Platzes stand schlammgraues Wasser. Die Currywurst war genießbar. Zumal wir sie mit einem Bier runterspülten und sicherheitshalber noch einen Kurzen hinterhergossen. Wegen meines verstohlenen Blicks in Richtung der roten Leuchtreklamen machte sich mein Vater keine Sorgen. Wohl aber wegen meiner unverhohlenen Vorfreude auf die Bibliotheken. Ich hatte herausgefunden, dass ich keine zwei Fußminuten von der Trierer Stadtbibliothek entfernt wohnte. Der Blick meines Vaters schien zu sagen: Also Bibliotheken, mein Junge, da bin ich mir nicht sicher. Man weiß nie, was einen da erwartet. Als mein Vater sich verabschiedete, um zurück nach Primstal zu fahren, hoffte er, noch genau ein einziges Mal bei einem Umzug Hand anlegen zu müssen, nämlich dann, wenn der Spuk vorüber war und ich nach dem Studium wieder nach Hause kam. Mit dem Stipendium für Oxford hatte niemand ernsthaft rechnen können, nicht einmal ich selbst. Aus Deutschland wäre ich auch weggegangen, wenn es nicht Oxford geworden wäre, trotz der gerade herrschenden landesweiten Euphorie. Zuerst hatte ich die Zusage für ein Stipendium in Dublin bekommen. Über Dublin hatte ich viel Gutes gehört. Über die Pubs, das Bier und die Livemusik und über die Irinnen, die angeblich sehr unkompliziert sein konnten. Einer aus unserem Dorf wohnte da. Christian. Der war ein oder zwei Jahre älter als ich und hatte Mitte der Achtziger, noch während seiner Studienzeit, in Dublin ein kleines Unternehmen gegründet. Bei ihm hätte ich bestimmt jobben können. Und wohnen vielleicht. Auch Rolf und Andi hatten mir von Irland vorgeschwärmt. Sie überlegten damals selbst, dorthin auszuwandern, wenn — 5 —

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